
Mit der Forderung der Landesregierung an die rheinland-pfälzischen Kommunen, die Haushalte 2023 zu 100 Prozent auszugleichen, droht aus Sicht des Stadtrats das Ende der kommunalen Selbstverwaltung auch in der Stadt Vallendar. Die Anweisung des Innenministeriums an die Kommunalaufsicht, keinen Haushalt zu genehmigen, wenn Finanzhaushalt und Ergebnishaushalt nicht ausgeglichen sind, wurde mit Schreiben der Kreisverwaltung vom 27.3.2023 umgesetzt. Die Kommunalaufsicht des Kreises hat gegen den von der Stadt Vallendar vorgelegten Haushalt 2023 Bedenken wegen Rechtsverletzung und Genehmigungsfähigkeit der Investitionskredite und kreditfinanzierten Verpflichtungsermächtigungen. Die Stadt Vallendar solle alles tun, um den Haushalt auszugleichen. Etwa die ohnehin vorgesehene Grundsteueranhebung nochmals deutlich erhöhen und auch noch so sinnvolle Investitionen einfach nicht vornehmen.
Bis ein ausgeglichener Haushalt für Vallendar vorgelegt wird, befindet sich die Stadt aktuell noch in der "vorläufigen Haushaltsführung" nach § 99 GemO. Demnach darf die Gemeinde nur Aufwendungen tätigen bzw. Auszahlungen leisten, zu deren Leistung sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind. Sie darf daher keine Investitionen tätigen bzw. Aufträge vergeben, die erst im Haushalt 2023 veranschlagt sind.
Der Rat der Stadt empfindet die drakonische Rechtsauslegung der Landesregierung verschuldeten Kommunen gegenüber als unfreundlichen Akt und als Frontalangriff auf die kommunale Selbstverwaltung. Denn seit Jahrzehnten sind die Zuweisungen des Landes an die Kommunen zur Erfüllung ihrer Pflichtausgaben völlig unzureichend. Bund und Land erwarten von den Kommunen, dass sie an der Basis bei den Bürgern die Bundes- und Landesgesetze umsetzen, etwa öffentliche Infrastruktur schaffen, wie Kitas und Schulen und Gemeindestraßen, soziale Aufgaben wie etwa die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerber, ohne die Gemeinden auch nur ansatzweise ausreichend finanziell auszustatten. Daran hat auch die Reform des kommunalen Finanzausgleichs, die der Verfassungsgerichtshof des Landes der Landesregierung auferlegt hatte, spürbar nichts geändert.
Als Beispiel sei die Verpflichtung der Kommunen genannt, Kindertagesstätten-Plätze für alle Kinder ab einem Jahr vorzuhalten und wenn nötig, neue Kitas zu bauen. Die Landesregierung bezahlt die Neubauten aber nicht zu 100 Prozent, sondern gewährt bei Neubauten nur pauschale Zuschüsse. Bei Erweiterungen gibt das Land nur Zuschüsse für die neu geschaffenen Plätze. Den Rest zahlen die Gemeinden. Natürlich haben die Gemeinden selbst ein großes Interesse an einer guten Versorgung mit Kita-Plätzen. Aber die Kommunen dürfen keine anteiligen Gebühren für die Kita-Plätze von den Eltern erheben. Hier zeigt sich also, dass die Gemeinden nicht frei sind bei der Gestaltung ihrer Einnahmen.
Die Stadt Vallendar hat in den vergangenen sieben Jahren als Pflichtaufgabe eine neue Kindertagesstätte gebaut, zwei erweitert, und eine kirchliche Kita bezuschusst und dafür insgesamt rund 8,7 Mio. Euro aufwenden müssen. Die Grundschule muss ab diesem Jahr aufwändig energetisch und technisch saniert werden, was die Stadt als Schulträger wiederum insgesamt geschätzt 5,5 Mio. Euro kosten wird. Das Land wird diese Maßnahme absehbar fördern. Trotzdem wird die Stadt einen erheblichen Betrag selbst finanzieren müssen.
Da auch der Landkreis Mayen-Koblenz vor der Aufgabe steht, auf Diktat der Landesregierung hin seinen Haushalt für 2023 zu 100 Prozent auszugleichen, wird auch die Kreisumlage erhöht, was sich ebenfalls negativ auf den Haushalt der Stadt Vallendar auswirkt. Das hat die Stadt Vallendar nicht zu vertreten.
Die Kommunalaufsicht betont in ihrem Schreiben, dass die Stadt Vallendar angesichts des unausgeglichenen Haushalts verpflichtet ist, den höchstmöglichen Hebesatz bei der Grundsteuer B festzusetzen. Ein Hebesatz von 995 Prozent wäre verfassungsrechtlich vertretbar. Der Rat hat Anfang des Jahres die Grundsteuer B auf bereits 565 Prozent erhöht, was deutlich über dem vom Land vorgeschriebenen Nivellierungssatz liegt. Eine weitere Erhöhung um 430 Punkte wäre gegenüber den Bürgern in überhaupt gar keiner Weise zu vermitteln.
Hier ein Beispiel: Ein Grundstück ist 677 Quadratmeter groß. Auf ihm steht ein Einfamilienhaus (Baujahr 2012) und hier gilt eine Grundsteuermessbetrag des Finanzamtes von 95,44 €:
- Die Eigentümer bezahlten 391,30 € Grundsteuer bis 31.12.2022 (Hebesatz 410 v.H.)
- 539,24 € Grundsteuer ab 01.01.2023 (Hebesatz 565 v.H.)
- 949,63 € Grundsteuer ab 01.01.2023 (Hebesatz 995 v.H.)
Anstelle einer weiteren Anhebung der Grundsteuer B über den schon sehr hohen Hebesatz von 565 v.H. hat der Stadtrat sehr viele dringend notwendige Investitionen, wie etwa Unterhaltsmaßnahmen von Straßen und im Stadion Vallendar auf das Haushaltsjahr 2024 verschoben. Das wird zur Folge haben, dass die Stadt Vallendar im Haushaltsjahr 2024 unweigerlich erneut vor dem gleichen Problem stehen wird, zumal die Kosten für die verschobenen Reparaturen wahrscheinlich noch höher ausfallen werden. Der aktuell vorlegte (Zwangs-) Haushalt ist somit nicht nachhaltig, sondern er verschiebt die Problematik mit Wucht in das kommende Jahr.
Außerdem hat die Stadt Vallendar vorrausschauend zur Verbesserung der Einnahmesituation im Jahr 2020 ein Parkraumbewirtschaftungs-konzept eingeführt, das jährlich rund 205.000 Euro (im Jahr 2022) für den Haushalt der Stadt generiert. Geplant ist der Bau von insgesamt 7 Windkraftanlagen in der Gemarkung Vallendar, die an Pachteinnahmen und Ertragsbeteiligung pro Anlage und Jahr rund 300.000 Euro erwirtschaften werden. Zwar ist noch unklar, wie viele Anlagen genehmigt werden, die Einnahmen-situation der Stadt wird sich jedoch erheblich verbessern. Eine PV-Anlage auf der Stadt- und Kongresshalle in Vallendar ist seit Anfang April 2023 in Betrieb und wird den städtischen Haushalt um jährlich rund 11.500 Euro entlasten.
Der Stadtrat von Vallendar sieht nicht, dass die Kommunalaufsicht des Landes die Anstrengungen der Stadt Vallendar mit ihren Investitionen in die Zukunft hinsichtlich des Klimawandels und Verbesserung der Einnahmensituation würdigt. Von der Landesregierung erwartet der Stadtrat, dass sie in Anbetracht der Realitäten in den Kommunen von der Durchsetzung von 100 Prozent ausgeglichenen Haushalten ohne „Wenn“ und „Aber“ Abstand nimmt. Denn die Landesregierung trägt ein gutes Maß an Schuld an der schlechten Finanzausstattung der Kommunen. Außerdem erwartet der Stadtrat künftig auskömmliche Zuweisungen des Landes an die Kommunen, zur Erfüllung sämtlicher anfallenden Pflichtaufgaben.
Die ehrenamtlich tätigen Stadträte haben Bedenken, dass sich zur kommenden Kommunalwahl kaum noch Bürger zur Wahl aufstellen lassen. Denn eine Selbstverwaltung der Stadt kann nicht alleine darin bestehen, Pflichtaufgaben zu erfüllen und den Bürgern in schweren Zeiten noch mehr Gebühren und Steuern aufzuerlegen. Dem sicher zu erwartenden massiven Unmut oder gar Zorn der Bürger will sich zukünftig kaum noch ein Bürger aussetzen, so die Befürchtung.
Abstimmung am 16.05.2023
Ja- Stimmen: 21
Nein- Stimmen: 0
Enthaltungen: 0